Prinzip von Schwellen und Strahlen

Rosskastanienbaum

Eine Rosskastanie in voller Pracht mit den pfeilartigen endständigen Fruchtständen

Wer kennt sie nicht, die Rosskastanie. Als Kind hat fast jeder mal die so verlockend glänzenden, großen braunen 'Kullern' aufgehoben und Tierchen oder sonstwas daraus gebastelt. Oder sich einfach an ihrem wunderschönen Glanz erfreut. Jede Kastanie ein Samenkorn. Klar, Äpfel sind größer, aber die Samenkerne sind kleiner. So betrachtet sind Kastanien ganz schön große Oschis (hast Du mal Majoran- oder Pfefferminzsamen in der Hand gehabt? Die sind kaum größer als Staubkörner. Sehr frustrierend, sie zu pflanzen. Man hat überhaupt kein Gefühl dafür, etwas gesät zu haben. Bei Kastanien ist das völlig anders). 

Sucht man nach einem einheitlichen Bauprinzip der Kastanie, botanisch Aesculus genannt, dann findet man dieses: Schwellen und Strahlen. Schon in der Kastanienfrucht ist dieses Prinzip gleich mehrfach verwirklicht. Der Samenkern kann bestens Gewissens als 'geschwollen' durchgehen, so üppig, wie er ist, und der Glanz, der dann auch die Kindergesichter strahlen lässt - da ist schon alles beieinander. 

Kastanienfrucht

Strahlen und schwellen - in vielfacher Weise im Fruchtstand ausgedrückt

Im Kleinsten wie im Größten - immer dasselbe Prinzip

Und das geht so immer weiter. Die Früchte sind ja eingehüllt in eine grünliche, rundum leicht bestachelte Schale. Also auch hier: Große Rundung, besetzt mit Strahlen. Bricht man die Schalen auf, ist das innere Fleisch weiß. Sehr weiß. Im Ultravioletten Licht fluoresziert es, strahlt. 

Rosskastanienblatt

Das strahlig schwellende Blatt

Wenn dieses Prinzip das Wesen des Baumes ausmacht, dann muss es sich auch in der Blattform wiederfinden. Und das tut es natürlich. Man kann sich selber mal überlegen, wie man Strahlen und Schwellen in einer Blattform optimal vereint. Herauskäme vermutlich genau die Gestalt des Kastanienblattes. Es ist handförmig aufgefächert, hat auch genau 5 'Finger', also fünf 'Strahlen', aber diese Strahlen sind vorne dick 'geschwollen', fast eiförmig. Und damit ist auch das Gesamtblatt in seiner umrissenen Form nahezu rund und wuchtig. 

Blütenstände der Rosskastanie

Die endständigen, immer senkrecht emporragenden Blütenstände der Rosskastanie 

Blütenstände wie Strahlen

Wenn man sich im Frühjahr mal genau die Blütenstände der Kastanie anschaust, entdeckt man auch hier wieder jenes selbe Prinzip. Die merkwürdigen und auffälligen Blütenstände sehen aus wie kleine Kegel oder Pfeilspitzen, nur halt recht üppige Spitzen: In der Basis breit, zum Ende hin spitz auslaufend. Also Strahlen. Und sie stehen nie ab von den Zweigen, wie das sonst bei den meisten Bäumen üblich ist, sondern positionieren sich immer endständig, als am Ende eines jeden Zweiges. Es gibt keinen Zweig ohne abschließenden Blütenstand. Die Spitzen weisen allerdings nicht radial nach außen, sondern grundsätzlich und immer nach oben. Es gibt also auch ein deutlich aufrichtendes Momentum im Organisationsprinzip dieses Baumes.

Diese vielen, wenn auch meist nur sehr kleinen Verzweigungen machen den Baum natürlich optisch sehr voluminös, quasi ein bisschen 'barock um die Hüften'. In Parks oder auch Alleen wird der Kastanienbaum daher gerne als zuverlässiger, oppulenter und beliebter Schattenspender gepflanzt.

Leider hat seit einigen Jahren ein massives Kastaniensterben eingesetzt, verursacht durch ein bestimmtes Bakterium im Verbund mit Pilzen. Etliche Kastanienbäume sterben (an Weißfäule). Vermutlich hat alles auch ein Stückweit genau damit zu tun, dass sie vom Menschen gezielt angepflanzt werden und sich nicht wohl nur in der Minderheit ihre Wuchsstandorte selber aussuchen. Denkbar ist also, dass durch die gezielten Anpflanzungen überhaupt erst Bedingungen geschaffen wurden, die die Ausprägung und Ausbreitung dieser Krankheit ermöglicht habe (aber das ist Spekulation). 

Rosskastanien Blüte

Die 'barocke' Einzelblüte der Rosskastanie

Viele unfruchtbare Blüten

Die Einzelblüte der Kastanie sieht aus wie ein Kunst- und Wunderwerk. Ziemlich verwirrend und - jedenfalls für mein Dafürhalten - absolut barock. Schwierig, durch dieses Kunstwerk durchzublicken. Was aber auffällt, ist zweierlei. Die Blütenblätter sind mit einem leichten Schimmer belegt (strahlen also), ansonsten wirken sie ausladend und vergleichsweise wuchtig. Dasselbe gilt aber auch für die einzelnen Staubfäden. So dickliche Fäden sieht man selten. Und auch nicht so geschwungen. Strahlen und Schwellen ist sogar bis in dieses Detail hinein verwirklicht. 

Übrigens ist nur ein kleiner Teil der so zahlreichen Blüten auch fruchtbar. Seltsam, denn im Grunde widerspricht dies dem Dawinschen Prinzip von Survival of the fittest. Warum produziert eine Pflanze so aufwändige Blüten, die dann rein gar nichts zur Fortpflanzung beitragen? Nur etwa 2 oder 3 Blüten pro Blütenstand reifen später zur Frucht. Bei der Ringelblume findet sich dasselbe Phänomen. Dort erweist sich die Unfruchtbarkeit der inneren Blüten als entscheidendes Schlüsselmerkmal der Pflanze. Hier verhält es sich ähnlich. Die Überfülle der so opulent ausgestalteten Blüten wird von der Pflanze aktiv zurückgenommen, sie begrenzt sich selbst in jenem überbordenen Zuviel. Diese Selbstbegrenzung lässt sich als Ausdruck des strahligen Prinzips begreifen, da alles Strahlige einen zurückweisenden, abwehrenden und eben begrenzenden Charakter hat. Hier wirkt das strahlige Prinzip bis in die Wachstums- bzw. Vermehrungschoreographie hinein.  

Bleibt noch der Blick auf den Gesamthabitus des Baumes (siehe Bild oben). Wenn der Kastanienbaum in voller Blüte steht, dann verkörpert er ganz und gar Strahlen und Schwellen. Füllig die Silhouette, strahlig in den Blütenständen. So ähnlich wie bei der Schafgarbe begegnen wir hier einer Art Selbstähnlichkeitsprinzip. Auf allen Stufen ist immer das gleiche polare Prinzip verwirklicht.

Die physischen Wirkungen der Rosskastanie

Das Schwellende eingrenzen, Selbstbegrenzung gegen das Ausufernde (z.B. Wunden nach Operationen), das umreißt sehr präzise den Kern der Heilwirkung der Rosskastanie. Strahlen ist der genaue Gegenpol des Schwellens. Strahlen sind dünn, länglich und spitz, 'formstark'; das Schwellende hingegen ist rundend, teils plump, ausufernd und 'formschwach'. 

Die Behandlung von Ödemen ist dementsprechend eines der Haupteinsatzgebiete dieser Heilpflanze. Venenentzündungen, Krampfadern, Hämorrhoiden, offene Beine, Rheuma, Ischias, all das gehört mit in diesen Umkreis, da es jedesmal gleichermaßen gilt, dem Schwellenden, Formschwachen etwas Formstärkendes (Strahliges) entgegen zu setzen. Sogar Augenringe werden in der Literatur als Indikation angegeben, auch wenn diese meist durch besseren Schlaf, weniger Alkohol oder besseres Essen schon beseitigt werden können. 

Durchfall, vor allem wenn er häufig vorkommt und nicht akut krankheitsbedingt ist, sprich auf eine Formkraft-Schwäche hindeutet, lässt sich in diesem Fall gut mit der Rosskastanie behandeln. Geschwollene Beine, Geschwüre, Frostbeulen, Gicht ... man kann seine Fantasie spielen lassen. Wo immer etwas Schwellendes mit einer Formkraft-Schwäche einhergeht, ist die Rosskastanie das Mittel der Wahl. 

Geschwüre z.B. lassen sich auf sehr verschiedene Weisen und auch mit völlig anderen Heilmitteln und Heilpflanzen erfolgreich behandeln. Aber es kommt eben auf die Art des Geschwürs an. Nicht jede Arznei, die gegen Geschwüre indiziert ist, hilft in gleich guter Weise. Nur wenn eine (allgemeine) Formkraft-Schwäche im Vordergrund steht, ist die Rosskastanie richtig gewählt. Ansonsten gibt es andere, besser wirkende Mittel. 

Die seelischen Wirkungen der Rosskastanie

Auf seelischer Ebene unterstützt die Rosskastanie die Qualität von innerer Führung - also innere Formstärke. Wenn wir seelisch aus der Form laufen, die Gedanken in Belanglosigkeit abgleiten, wir uns in einer Wischiwaschi Anything-goes-Haltung eingerichtet haben und nicht prägnant werden, dann lohnt es sich, mindestens mal die Rosskastanie - idealerweise in wesensgemäßer Zubereitungsform - für einige Wochen einzunehmen. Und dann beobachten. Unter ihrem Einfluss fällt es leichter, sich selbst zu disziplinieren, das zur Formlosigkeit neigende Lustprinzip wieder einer geistigen Führung unter zu ordnen, sich innerlich aufzurichten statt gehen - oder hängen - zu lassen. Ausgelassenheit und Ernst setzt die Rosskastanie ihrem Wesen nach in ein gesundes Verhältnis. 

Falls Du zu jenen Menschen gehörst, die stark nach dem Lustprinzip arbeiten und dementsprechend stark auch an Prokrastination (= Aufschieberitis) leiden, dann starte ruhig mal den Versuch, über 4-6 Wochen 3 x täglich 5 Tropfen der Ceres-Aesculus Urtinktur einnehmen. Und halte Dir immer das Bild und Wesen dieser Pflanze dabei vor Augen, wenn Du die Arznei einnimmst. Und dann beobachte, was passiert.

Wenn Du interessante Beobachtungen machst, freut es mich, wenn Du das in den Kommentar schreibst. 


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