Locker - leicht - fröhlich - frei

Hopfen in voller Pracht
Wer auf der A9 von München nach Norden Richtung Ingolstadt fährt, sieht unweigerlich rechts und links jede Menge Hopfen-Felder - das größte Hopfen-Anbaugebiet der Welt (die so genannte Hallertau). Da sind schräge Schnüre gespannt, 5-10 Meter hoch, und im Frühjahr klettern daran, beschwingt und gleichmäßig, die Hopfenpflanzen empor. Die Früchte kann man nicht essen, sie schmecken unglaublich bitter. Aber zum Trinken, sprich zum Bier-brauen, geben sie ein wunderbares Aroma. Dass sich ein so großes Anbaugebiet ausgerechnet in Bayern befindet, ist also kein Zufall. Bayern, Gemütlichkeit, Geselligkeit, Fröhlichkeit, das gehört alles zusammen. Und eben der Hopfen ... in flüssiger Form.

An solche dünnem Stängel wächst die ganze Pflanze
Wer mal einen Hopfen aus der Nähe hat beobachten und vielleicht sogar wachsen sehen können, ist erstaunt, wie dünn der Stängel ist, an dem sich die Pflanze so viele Meter nach oben rankt. Schließlich muss ja die ganze Versorgung über diesen Stängel bis in die Höhe arrangiert werden. Auch der Efeu kann sich ähnlich weit emporranken, aber wenn er bestimmte Höhen erreicht hat, wird sein Stängel vergleichsweise dick und holzig.

Die Zähnchen am Stängel, mit denen sich die Pflanze festhält.
Nicht so beim Hopfen. Der bleibt ziemlich dünn, krallt sich mit seinen kleinen Widerhäkchen, seinen Zähnchen fest (botanisch heißt er Lupulus = Wölfchen; das leitet sich von diesen Zähnchen ab), und dann kennt er nur eine Richtung: Nach oben. Wie schwerelos. Und immer im gleichen Drehsinn.
Der Drehsinn verdient eine kleine Sonderbetrachtung. In der Natur gibt es öfter Gestaltungen mit Drehsinn. Dabei zeigt sich, dass die beiden Drehrichtungen unterschiedliche Bedeutung haben. Der eine Drehsinn taucht auf, wenn es eher um Energie-aufbauende, offensive, wie einatmende Prozesse geht, der andere genau gegenteilig. Beim Hopfen ist es der zurücknehmende, einkehrende, zur Ruhe führende Drehsinn.
Pflanze gewordene Unbeschwertheit
Die meisten Pflanzen verzweigen sich. Beim Hopfen gibt es im wesentlichen nur das Wachstum nach oben. Wäre die Pflanze ein Mensch, würde man sagen, er sei wenig neugierig, nicht sehr experimentell, nicht vielseitig orientiert. Ihn interessiert quasi nur die Leichte. Er schraubt sich empor, und in der Luftigkeit fühlt er sich offenbar am wohlsten. Dass dem so ist, dafür spricht auch seine erhebliche Fülle, die man ihm zunächst gar nicht zutrauen würde. Das liegt darin, dass er seine Blätter quasi 'schweben' lässt. So dünn der aufsteigende Stängel ist, seine Zähigkeit reicht aus, um die Blätter waagerecht zu halten und sie weitestmöglich abstehen zu lassen. Der Efeu lässt ganz im Gegenteil die Blätter immer aktiv nach unten weisen, drängt sich möglichst dicht an die Mauer oder den Baumstamm, versteckt sich eher (jedenfalls in der Anfangs-Wachstumsphase). Er wirkt viel zurückgenommener. Der Hopfen hingegen breitet 'die Arme' aus, schwelgt, scheint der Erdenschwere enthoben, alles easy, alles leicht. Don't worry, be happy!

Der ungewöhnlich leichte Fruchtstand des Hopfens
Leicht, und zwar überraschend leicht, sind auch die zapfenförmigen Früchte. Sie sehen aus wie gelbliche Tannenzapfen. Wer schon mal einen Tannenzapfen aufgelesen hatte, und das hat ja wohl jeder, weiß man ungefähr wie schwer so ein Zapfen ist. Ein ähnliches Gewicht erwartet man - rein optisch - auch von den Hopfenzapfen. Tatsächlich aber sind sie federleicht, mit ganz dünnen Läppchen (oder wie soll man das nennen), sehr luftig, sehr weich. Und sehr aromatisch.
Eine solches Streben zum Luftelement kennt man auch vom Baldrian, auch wenn er längst nicht in so große Höhen steigt. Aber da ist der Blütenstand völlig abgehoben vom Blattwerk, und die buschige Wurzel bildet ein gewaltiges, massives Gegengewicht.
Beim Hopfen sind Blattwerk und Blüten ineinander verschränkt. Die Blätter verteilen sich gleichmäßig vom Boden bis ganz nach oben, es gibt keine großartigen Polaritäten in dieser Pflanze. Gleichwohl besitzt auch der Hopfen eine gewaltige Wurzel. Diese sieht aber aus wie die Fortsetzung des Stängels in die andere Richtung. Bei einem ausgewachsenen Hopfen kann sie locker mal anderthalb oder 2 Meter in den Boden dringen, ohne zu zu verholzen. Sie ist zäh und elastisch, daumendick, fast wie eine Peitsche. Versucht man sie aus dem Boden zu ziehen, scheitert man. Sie reißt kaum ab und ist gleichzeitig so extrem tief verwurzelt. Diese starke Erdverbindung findet einen analogen Ausdruck in der reichlichen Bildung von Bitterstoffen. Bitterstoffe wirken meist tonisierend auf die Verdauung.
Die physischen und seelischen Wirkungen des Hopfens
Verdauungsfördernd, ja, das ist der Hopfen durchaus. Er tonisiert tatsächlich das Verdauungssystem, aber nicht übertrieben. Sein Schwerpunkt liegt deutlich im Luftigen und Leichten, und daher wirkt er stärker auf den Kopfbereich, auf das Nervensystem, und zwar im Sinne einer gewissen Unbekümmertheit, Leichtigkeit, Fröhlichkeit. Genutzt wird dies als Ein- und Durchschlafhilfe. Viele Menschen trinken ja gerne ein Bierchen am Abend, zum Teil wohl auch, weil sie merken, dass sie dann besser einschlafen können. Und irgendwie gemütlich ist es auch.
Hopfen ist seinem Wesen nach alles andere als ein Hans Dampf. Das Erdenschwere, Lastende, lässt der Hopfen locker und beschwingt hinter sich. Deshalb eignet er sich auch so gut für Geselligkeit, bei der es nicht gerade um tiefgründige philosophische Erörterungen geht, sondern bevorzugt um Smalltalk. Visionäre Zukunftspläne unter dem Einfluss des Hopfens zu schmieden, ist eher keine gute Idee (dazu eignet sich viel besser die brillante Schafgarbe). Hopfen ist insbesondere dann das Mittel der Wahl, wenn wir tagsüber träge und müde sein sollten, nachts dann aber nicht einschlafen können.
In vielen Präparaten wird Hopfen mit Baldrian kombiniert als Ein- und Durchschlaf-Mittel. Vermutlich steckt dahinter keine besondere Idee, außer dass sowohl Baldrian als auch Hopfen beruhigend wirken und eben gleichermaßen zur Unterstützung des guten Schlafes verwendet werden. Tutti frutti sozusagen auf heilpflanzisch. So ganz falsch ist die Idee sicher nicht, aber beide Pflanzen zeigen einen völlig anderen Impetus, eine andere Wirk- oder Stoßrichtung. Baldrian leitet Spannungen ab, hilft vor allem flatterhaften, ewig gedanklich unterwegs seienden Menschen. Hopfen ist viel besser geeignet für Menschen, die eher zum Grübeln neigen, die das Leben als Last empfinden, mit Sorgen ins Bett gehen, die nicht recht austariert sind zwischen Schwere und Leichte. Und dann ist noch der Lavendel als Schlafhilfe, der sich gleichwohl so gar nicht für eine Kombination mit Baldrian oder Hopfen eignet. Er reinigt das Feld, bereitet den leeren Raum, die andere, edlere Sphäre (des Schlafes). Es gilt also genau hinzuschauen, welche Qualität Du am meisten brauchst, falls Du Dich schwer tust, einzuschlafen oder durchzuschlafen.