Alles schön der Reihe nach...

Ausgewachsene Schafgarbe

Schafgarbe wächst stufenweise: Blatt - Stängel - Blüte. Man beachte den waagerechten Blütenabschluss.

Sie ist meine persönliche Lieblingsheilpflanze, die Schafgarbe, botanisch Achillea Millefolium genannt (mille = 1000, folium = Blatt; mehr dazu weiter unten). Nicht nur, weil sie mir schon als Kind durch ihr ganz besonders strahlendes Weiß, ihre Ausstrahlung von außergewöhnlicher Reinheit so gut gefiel, sondern weil es auch die erste war, deren Wirken ich bis hinab auf die seelische Ebene verspürte habe. Normalerweise sind wir ja gewohnt, Heilmittel irgendwie einzuwerfen, und dann sollen sie ihr Werk tun und fertig. Dass sie uns ein Stückweit auch zu einer inneren Reise einladen, uns auf andere Gleise winken, das hatte ich nie so wirklich auf dem Schirm. Bis zu jenem Schafgarbenerlebnis.

Ich stand an einem Messestand der Firma Ceres, wo es gab, Proben der Pflanzentinkturen zu probieren. Ein Vortrag lief gerade. Ich hörte zu und eher beiläufig griff ich ein beliebiges Fläschchen aus dem Aufsteller, öffnete es und roch daran. Mit einem Schlag war es plötzlich völlig und unverhofft klar mir. Als wären in der nämlichen Sekunde im Gehirn sämtliche Scheiben geputzt worden (falls es dort welche gibt, Mattscheiben z.B.). Also besorgte ich mir ein Fläschchen und beobachtete, was es mit mir macht, wenn ich es mal über mehrere Tage einnehme. Das Ergebnis - und Erlebnis - war für mich sehr überraschend: Die Pflanze macht klar! Und ruhig. Geradezu stoisch. Bei mir war es zumindest so. Da, wo ich sonst in einer Vielzahl von gleichzeitigen Aufgaben nervös oder hektisch wurde, blieb ich nun die Ruhe selbst. Hinschauen, alles schön der Reihe nach, erst dies, dann das. Geht doch. Ohne Aufregung, ohne überflüssigen Eifer, ohne Gedöns - einfach so. Auch hatte ich keinerlei Schwierigkeiten damit, anderen auch mal eine Bitte abzuschlagen, wenn es gerade nicht passte (sonst hatte ich meistens versucht, alles noch irgendwie aneinander unter einen Hut zu bringen). Musste halt dies oder das mal zurückgestellt werden. So what. Alles sehr schlicht, geradlinig, einfach. Und ruhig. Manchmal vielleicht einen Happen zu pragmatisch. Aber von innen fühlte - und fühlt - es sich großartig an. 

Und so ist die Pflanze auch. Man sieht ihr diese Wesensart an - in ihrer ganzen Gestalt, ihrem Wachstumsverhalten, riecht es. Zeitliche Ordnungen herstellen, Klarheit, alles gründlich durcharbeiten, das ist sie. 

Kleine Kamille oder große Alleskönnerin?

In Pflanzenheilkundebüchern wird die Schafgarbe oft etwas stiefmütterlich abgehandelt, mitunter als kleine Schwester der Kamille. Beide entstammen der Familie der Korbblütler, beide bilden zu einem gewissen Teil gleiche oder ähnliche Inhaltsstoffe. Während aber die Kamille viel schärfer in ihrem Heilwirken definiert ist, erscheint die Schafgarbe ein bisschen als Allerweltspflanze. Die empfohlenen Anwendungsgebiete sind teils so unterschiedlich, dass es schwer fällt, ein alles einendes Wirkmerkmal, ihre eigentliche Heilqualität zu ergründen. Aber so schwierig ist das gar nicht bei ihr. Man muss sie nur gut beobachten. 

Ich hatte sie mal einzeln im Garten angepflanzt, schön mit Mulch umfasst, damit sie nicht so einwächst. Meist wächst sie ja zwischen Gräsern, und dann ist es schwieriger zu erkennen, wie ihr Wachstum so voran schreitet. 

bodenständige Blattrosette mit Blütenansatz

bodenständige Blattrosette mit Blütenansatz

Ziemlich früh im Frühjahr kamen die ersten Blättchen, und ich freute mich wie ein Waldmeister. Dann kamen noch mehr Blättchen. Und noch mehr. Und so weiter. Es bildete sich ein große, flach am Boden liegende Blattrosette, vom ersten Blatt an ultra-fein strukturiert, jedes Blatt wie ein Mini-Tannenbäumchen - sogar ohne dass erst mal ganz anders aussehende Keimblättchen herausgewachsen wären. Neben ihr kamen nach und nach andere Blumen aus dem Boden, bildeten ihre Blätter, bald auch Blütenstängel, blühten, verblühten - ... und meine Schafgarbe war immer noch damit beschäftigt, Blätter zu kreieren. Ich dachte, sie wäre kaputt, würde nicht 'funktionieren'. Kommt wohl nicht mehr. 

Selbstähnlichkeits-Prinzip

Irgendwann, es war schon später Frühling, entdeckte ich dann erste Blütenansätze in dieser Bodenrosette. Alles noch schön geschlossen, aber die Anlagen alle schon vorgefertigt. Und dann, quasi extrem verspätet - oder retardiert, wie man auf schlau sagen würde - zündete sie ihre Senkrecht-Wachstum. Wie ein Fahrstuhl fuhr sie binnen weniger Tage in die Höhe, riss all ihre Blätter mit, teilte sie schön nacheinander am Stängel auf und entfaltete oben ihre Blütendolden. Mehrere, 5 oder 6 Stück, alle in unterschiedlicher Höhe ansetzend, aber am Ende alle Blütendolden auf etwa die gleiche, waagerechte Ebene schiebend. Waagerechte Bodenrosette, senkrechter Aufstieg ohne Verzweigungen, waagerechter Abschluss im Blütenstand - fast ein bisschen arg schematisch. Und alles streng nacheinander, nie irgendetwas gleichzeitig.

Schafgarbenblatt

Stark vergrößert: Ein Schafgarben-Blatt

Dabei baut sie ihre Ordnung nach einem einzigen Grundschema auf, das sie dann permanent in allen Teilen wiederholt, im Blattbau wie in der Blüte. Und das führt am Ende zu einer Selbstähnlichkeit.

Selbstähnlichkeit ist ein Begriff aus der Chaosforschung. Küstenlinien oder aufgeworfene Eislandschaften in der Arktis zeigen selbstähnliche Strukturen. Heißt: egal wie dicht man heranzoomt, das grobe Aussehen scheint sich nicht zu verändern. Auf allen Größenstufen wiederholen sich in etwa dieselben Strukturen. Beim Blatt der Schafgarbe ist das sofort offensichtlich: Es verzweigt sich gefühlt 1000fach, und jedes Seitenzweigchen verzweigt sich wiederum und dieses noch einmal, drei bis viermal geht das so, dann wird es zu winzig. Aber auf diese Weise entsteht das unglaublich filigrane Aussehen. 

Blütendolde der Schafgarbe

Einzelne Blütendolde mit ihren Korbblütchen

Im Aufbau des Blütenstandes dasselbe Procedere noch einmal: Der gesamte Blütenstand setzt sich aus mehreren direkt auf etwa gleicher Ebene nebeneinander gelegten Blütendolden. Jede Dolde besteht aus vielen einzelnen Korbblüten, wobei jede Korbblüte noch mal eine Art Miniblütenbeet darstellt. Was als Einzelblüte erscheint, ist in Wirklichkeit ein Blütenkörbchen mit weißen, einfassenden Zungenblüten und kleinen Röhrenblütchen in der Mitte. Beinahe wie russische Matroschka-Puppen. 

Klarheit durch und durch

Wie unglaublich gut die Pflanze durchgearbeitet ist, zeigt sich auch in der Zellchemie. Der Presssaft verdirbt fast nicht. Das ist nichts unausgegoren geblieben. Und auch die Pflanze selbst verdirbt fast nicht. Sie kann mitunter vereinzelt bis in den Dezember hinein blühen. 

Die besondere Klarheit in der Struktur zeigt sich im übrigen auch in den ultraweißen Zungenblüten. Es gibt ja viele Pflanzen mit weißen Blüten, aber die Farbe der Scharfgaben-Blüten ist edel-weiß, noch strahlender weiß als bei anderen Pflanzen. Woran es liegt, habe ich erst unter dem Mikroskop entdeckt. Da zeigt sich, dass die weißen Blättchen feinst strukturiert sind - wie Katzenaugen. Und die spiegeln ja bekanntlich aufgrund ihrer kristallähnlichen, bienenwabenähnlichen Form. 

Wofür ist die Pflanze optimal geeignet?

An kaum einer anderen Heilpflanze zeigt sich eindrucksvoller, wie anders Heilpflanzen wirken im Vergleich zu synthetischen, im Labor entwickelten oder einzeln isolierten Wirkstoffen. Es gibt eigentlich nichts, woGEGEN die Pflanze hilft. Sie ist gestaltete Klarheit und Ordnung, und überall, wo es um Klarheit oder Ordnung von Prozessabfolgen geht, ist sie recht am Platz. Das beginnt im Hautbild, bei Hautunreinheiten, Furunkeln, Pickeln, Akne, Mitessern, Hämorrhoiden, Probleme mit der Verdauung, Leberschwäche (die mehr Schlacken im Körper hinterlässt), Durchfall, Ödeme - was einem halt so einfällt bzgl. Klarheit-schaffen. Meist gibt es spezifischer wirkende Heilpflanzen. Aber wenn es nicht nur darum geht, Symptome möglichst schnell loszuwerden, sondern Grundordnungen aufzubauen, zu konsolidieren, mehr Klarheit in die körperliche Organisation zu bekommen, dann ist die Schafgarbe die Heilpflanze der Wahl.  

Und das Klarheitsstreben wirkt bei der Schafgarbe auch deutlich in seelische Bereiche hinein. Früher wurde sie als so genannte Visionspflanze gerne genutzt - nicht etwa, weil sie Halluzinationen auslöst, sondern weil sie auch innere Klarheit hinsichtlich der eigenen Ausrichtung schafft. Wenn sich das ganze System beruhigt, nicht hin und her geworfen ist von 1000 Belanglosigkeiten, dann kann sich am ehesten zeigen, was 'dran ist', worauf es ankommt. Mit solcher Klarheit stellt sich auch eine große innere Ruhe ein, und wohl aus diesem Grund gilt die Schafgarbe als eine herausragende Heilpflanze bei Krampfzuständen aller Art. 

Ich persönlich nehme Millefolium (als Ceres-Urtinktur, meiner Meinung nach die beste Zubereitungsform) immer dann, wenn ich zu stark gestresst bin oder etwas in mir in Unruhe geraten ist. Auch wenn ich mich mal sehr schlecht ernährt haben sollte (was glücklicherweise selten vorkommt) und ich mich dann schlecht oder tumb fühle, ist die Pflanze Gold wert. Alles Eingetrübte oder Verdumpfte wird wieder klarer. Von daher lässt sie sich quasi als Allerweltskraut einsetzen, ist hilfreich bei einer riesigen Vielzahl an Erkrankungen, da sie für eine Grundkonsolidierung sorgt. 

Selbstkompetenz aufbauen mit Heilpflanzen

Das Gute an der Arbeit mit Heilpflanzen - zumindest gilt das für die allermeisten - ist ja, dass man im Grunde nichts so wirklich falsch machen kann, falls man nicht maßlos überdosiert. Wenn es sich um ungiftige Pflanzen handelt, ist das vom Prinzip her ein bisschen wie Pflanzennahrung - natürlich in der Stoffextraktion auf einen bestimmten Aspekt zugespitzt. Aber Nebenwirkungen sind selten (ggf. auf allergische Reaktionen achten). Und es gibt immer die Möglichkeit, einschleichend zu beginnen, also mit sehr kleinen Dosierungen anzufangen, schauen was passiert, und bis zur Empfehlung - oder dem, was für einen selbst optimal erscheint - zu steigern.

Bei der Arbeit mit Heilpflanzen geht es ein Stückweit ja auch darum, sich selbst zu einer besseren gesundheitlichen Selbstverantwortung zu befähigen, aufmerksamer zu werden für das, was einem gut tut, was der Körper braucht, für mehr Bewusstheit, wie unsereins in den gesamten Lebenszusammenhang eingebettet ist. Dafür sind Heilpflanzen ideale Lehrmeister - vor der Haustür, schön anzusehen, sinnlich ... und eben lehrreich. 


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