Aufmundernde Sanftheit als universelle Heilqualität

Eine schon älterer, prachtvoll stark ausgewachsene Melisse
Die Melisse gehört zur Familie der Lippenblütler, und diese Familie ist die Heilpflanzenfamilie schlechthin, eine heilkräftige Familie als ganzes. Berühmt geworden ist sie vor allem durch Klosterfrau Melissengeist - gute Werbung -, ein hochprozentiges (79%) alkoholisches Melissenextrakt, von dem man nicht so genau weiß, ob der enorme Alkoholgehalt oder tatsächlich die Melissen-Inhaltsstoffe die Hauptwirkung ausmachen.
Nicht all zu viele Menschen wissen, wie die Pflanze aussieht - vielleicht weil sie recht unektakulär daher kommt. Insbesondere die Blüte ist gibt wenig für's Auge her, viel allerdings für Bienen - ein wahres Bienenbuffet. Aber die größte Ausstrahlung entfaltet sie kurz vor der Blüte. Wenn sie erst einmal blüht, sieht sie sogar weniger schön aus - eine wirkliche Seltenheit. So wundert es auch nicht, dass die Pflanze vorzugsweise kurz vor der Blüte geerntet wird. Überhaupt werden Heilpflanzen eigentlich immer im Stadium ihrer größten Ausstrahlung gesammelt, weil genau dann auch der Gehalt an heilwirksamen Inhaltsstoffen am größten ist. Zufall? Bestimmt nicht.
In freier Natur ist die Melisse selten zu finden, in Gärten deutlich häufiger, weil sich auch als Küchengewürz dient. Frisch gepflückt schmeckt sie zitronig erfrischend. Der Zitronenduft verfliegt allerdings relativ rasch. Wer sich aus Melissenextrakt eine Tinktur braut, ist überrascht, dass vom zitronigen Duft praktisch nichts mehr übrig bleibt. Stattdessen duften sie so, wie es früher in Apotheke gerochen hat, sprich wie eine Mischung aus ganz vielen Heilpflanzen gleichzeitig. Als Gewürz eingenommen, entfaltet sie auch nur wenig von ihrem potenziellen Heilvermögen, beim Tee schon mehr. Wer also Melisse als Heilmittel nutzen will, sollte sie unbedingt entsprechend aufbereiten.
Eine wirkliche Freude ist die Pflanze, die 25-30 Jahre alt werden kann, nur im ersten oder zweiten Jahr. Danach breitet sie sich stark aus. Auch verändert sie sich ein wenig mit zunehmendem Alter. Sie verliert dann bisschen an Wirkmächtigkeit.

Das Blattwerk ist schöner als die blühende Pflanze
Nachdem sich die Pflanze in den Wintermonaten ganz zurückgezogen hat, erscheinen im Frühjahr ihre freundlichen Blätter. Ich sage 'freundlich', weil das der Begriff ist, der mir als erstes bei ihrem Anblick einfällt. Das tut's bei anderen Pflanzen nicht.
Die Blätter glänzen ein wenig, sind am Rand rhythmisch gekerbt, wirken dadurch sehr lebendig. Und auch die Oberfläche ist nicht nur platt flach, sondern durch die Blattadern ein wenig gefurcht; ich würde sagen: bewegt.
Das Auffälligste aber ist das wunderschöne halbkugelige, dichte Blätterdach als ganzes, wie es sich am Ende des Frühjahres ausgebildet hat.
Die früh erscheinenden Blätter sind dabei die größten und vollsten, oft ein klein wenig gewölbt wie eine entspannte Hand mit zusammengelegten Fingern. Die späteren Blätter werden zunehmend kleiner. Zum Zeitpunkt ihrer größten Ausstrahlung mutet die Pflanze an, als würde sie alles Darunterliegende beschützen, also die schützende Hand darauf legen. Obwohl sie ein lebendiges Vibrieren zeigt, geht von ihr auch eine beruhigende Sanftheit aus. Das ist schon ein Kunststück, diese beiden beinahe gegensätzlichen Qualitäten ineins zusammen zu bringen.

Die Blätter der Melisse erinnern an eine beruhigend aufgelegte Hand
Die Heilwirkungen der Melisse
Die Melisse legt ihre beruhigende und besänftigende Hand über so ziemlich alles, was es akut zu besänftigen gilt. Besänftigung ist eine universelle Heilqualität. Darin zeigt sie eine gewisse Gemeinsamkeit zur Kamille, die ja ebenfalls besänftigend wirkt, wenn auch in ganz anderer Weise. Die Kamille besänftigt vor allem das Feurige, Entzündete. Bei der Melisse steht das luftige und wässrige Element im Vordergrund: das Luftige, weil die Pflanze eine recht intensiven zitronigen Duft verströmt, weil außerdem die Blätter teils sehr dünn (zugleich aber auch erstaunlich stabil) sind und weil sie nach oben hin auffällig 'luftiger' werden (letzteres gilt zwar für viele Pflanzen, bei der starken Blattbetonung der Pflanze sticht dieses Merkmal aber besonders heraus.
Nimmt man den rhythmischen Charakter der Blattzeichnung, dieses lebendig vibrierende hinzu, dann werden sich die Heilwirkungen vor allem im Bereich des rhythmischen Luftsystems, also der Atmung als auch in der Organisation des Wässrigen finden lassen. So wirkt die Pflanze anregend und aufmunternd(!), zugleich aber auch entspannend und beruhigend. Bronchitis, Asthma, Husten oder auch grippale Erkältungen lassen sich mit der Melisse mildern und beruhigen. Beruhigung findet zugleich auch auf der seelisch-nervlichen Ebene statt. Reizbarkeit, Unruhezustände bis hin zu Neuralgien und Schlafstörungen werden abgemildert. Das gilt auch für den ganzen Themenkreis der Krampfzustände, seien es Periodenkrämpfe, Magen- oder Darmkrämpfe, Wechseljahrsbeschwerden oder auch Ängste, sofern sie mit einer Art von seelischer Verkrampfung einhergehen (vergleiche hierzu auch die Schafgarbe)
Dass die Melisse in ihrem besänftigenden und beruhigenden Charakter auch effektiv Schmerzen zu stillen vermag, dürfte aus allem bisher Gesagten klar sein. Sie lindert die Pein bei Quetschungen, Wunden/Blutergüssen oder auch Migräne oder Zahnschmerzen. Zu beachten ist, dass dies alles keine 'feurigen' aufflammenden Beschwerden sind (ansonsten wäre die Kamille eher angezeigt). Am besten schaust Du Dir noch mal die Bilder der Pflanze an, ihre Anmutung, um die passendste zu wählen. Es gibt viele Heilpflanzen, die beruhigen oder Schmerzen lindern können. Sie tun es aber alle auf eine etwas andere Art. Und diese Art sollte zu Deinen möglichen Beschwerden passen.
Fazit
Die Melisse trägt ihren guten Ruf zurecht. Ihr wirken ist keinesfalls mit einer synthetischen beruhigenden Arznei zu vergleichen. Synthetische Beruhigungsmittel sedieren in aller Regel in irgendeiner Weise. Die Melisse hat aber den Charakter eines guten Freundes, der in der Not aufmunternd zur Seite steht - und dann ist alles schon nicht mehr ganz so schlimm. Das genau vermittelt sie. Und dann ist es auch wirklich nicht mehr so schlimm.
Falls Du die Pflanze einnimmst, dann kannst Du mal ausprobieren, auch dieses Bild der Freundlichkeit und Besänftigung innerlich mit zu aktivieren. Die Pflanze unterstützt das ja selber schon von Haus aus. Aber dann verstärken sich noch ihre Effekte.
Auch in völlig gesundem Zustand kann die Melisse den Gemütszustand in wohltuender Weise modulieren, Dich milder stimmen, z.T. auch gegenüber Dir selbst. Probiere es mal aus und teile gerne Deine Erfahrungen.