Altes hinter sich lassen und eine neue, reine Sphäre betreten

Lavendel bildet eine halbkugelige, ganz eigene, erhobenem edle Blütensphäre über dem (niederen) Blattwerk
Lavendel ist eine der bekanntesten Gartenschmuck- und Heilpflanzen - spätestens durch die Werbung: Lavendel, Oleander, Jasmin... Sein Duft wird von den meisten Menschen als überaus edel beschrieben, steht dem Rosenduft wenig nach, auch wenn Rose und Lavendel gar nicht jedermanns Geschmack ist. Aber für den Duft frischer Wäsche taugt er alle male. Das wussten auch schon die Römer. Der Name Lavendel leitet sich nämlich ab von lateinisch lavare = waschen. Schon von Alters her verbindet sich mit der Pflanze der Eindruck von Reinheit und vielleicht auch - im durch und durch positiven Sinne - Erhabenheit.
Erhaben, oder 'erhoben' ist die Pflanze ja tatsächlich in ihrem Gestaltausdruck. Denn sie bildet zwei Sphären. Eine niedere Blättersphäre, und eine, oft in wunderschönem Halbrund darüber erhobene Blütensphäre. Und es ist tatsächlich eine Sphäre. Die Blütenstängel steigen zahlreich strahlenförmig nach außen, lassen das Blattwerk komplett unter sich und bilden eine Art einkleidende oder überdeckende Halbkugel voller violetter Blüten.

treppenförmiger Blütenstand, in eine andere Sphäre aufsteigend.
Im Unterschied zum Spitzwegerich, der ja auch lange, weit über das Blattwerk emporgehobene Blütenstängel hervorbringt, hat der Lavendelblütenstand nicht diesen Charakter des Entrissen-Seins oder Außer-sich-seins, völlig losgelöst vom Blattwerk. Eher im Gegenteil. Der Blütenstand steigt eher treppenförmig auf, als würde 'gemessenen Schrittes' stufenweise ein neuer Raum betreten.
Interessant dabei ist außerdem, dass die Pflanze vor unmittelbar vor ihrer vollen Blüte, also im späten Knospenstadium, ihre größte Ausstrahlung erreicht. Dann leuchten die Farben am intensivsten und schönsten, während sie in der Vollblüte blasser wirken. Eine Seltenheit im Pflanzenreich. Das hat damit zu tun, dass die Kelchblätter, normalerweise grün, hier die Farbe der Blüte bereits angenommen oder vorweggenommen haben. In dieser jungen, fast möchte man sagen: jungfräulichen, noch unberührten Blütenphase wirkt die Pflanze viel präsenter und kraftvoller, als in der Vollblüte. Da sind die Farben dann schon wieder blasser.

Die normalerweise grünen einhüllenden Kelchblätter haben die intensivste Farbe
Vielleicht ist es kein Zufall, dass auch die Farbe selbst eine Farbe des Übergangs ist - zumindest mal prominent in der katholischen Lithurgie. Da trägt der Pfarrer in der Übergangszeit zwischen Karneval und Ostern, also der Fastenzeit, die violette Schärpe. Offenbar gibt es eine kollektive Intuition dafür, dass das violett (oder blauviolett) etwas mit Übergängen zu tun habe.
Die physischen und seelischen Wirkungen des Lavendels
Als Heilpflanze bekannt ist Lavendel für seine beruhigende Wirkung. Er wird meist empfohlen, um besser einschlafen zu können, z.B. als Lavendelkissen. Aber Lavendel ist, nach allem zuvor Gesagten, nicht eine Beruhigungs- oder Schlaf-Unterstützungspflanze per se. Ihr Wirken besteht darin, Übergänge zu moderieren, Übergänge von etwas Niederem, Belastetem in eine höhere, reinere, unberührte Sphäre. Es ist wie in einem Buch das Umblättern auf eine leere Seite. Das ganze (Wort)Getöse verstummt, und plötzlich ist da etwas völlig Unbeschriebenes, Leeres, wo hinein sich die Seele gewissermaßen ausdehnen kann.
Wenn Lavendel - in welcher Form auch immer, als Tinktur, als Kissen, als Sträußchen, als Wässerchen - genutzt wird, um besser einschlafen zu können, dann funktioniert es deshalb, weil die Pflanze in Duft und Wirkung den Geist in eine reinere und eben unbelastete Sphäre hebt. Wenn wir von Haus aus zappelig und nervös sind, ist Lavendel nicht das Mittel der Wahl. Dann eignet sich besser der Baldrian, der Spannungen ableitet. Und ist die Stimmung des Tages drückend gewesen, empfiehlt sich eher der Hopfen mit seiner beschwingten Leichtigkeit.
Aber Lavendel ist die Pflanze, mit deren Hilfe es leicht fällt, die Gedanken und das Getöse des Tages hinter sich zu lassen. Es vermittelt ein Gefühl wie beim Betreten einer Kirche (wenn sie nicht gerade ein Touristenmagnet ist mit 1000den Leuten). Es tritt eine innere Stille ein, das Alte kann zurückgelassen werden und man fühlt sich wohlig geborgen in dieser reinen, sublimierten Stimmung.
Ideal hat sich die Pflanze bewährt bei Jetlacks. Auf Interkontinentalreisen über Zeitzonen hinweg ist es also eine gute Idee, immer ein Lavendelfläschchen mitzunehmen.

Kommunionskleider werden gern in Lavendel-beduftet - als Zeichen des Übergangs, der Initiation.
Lavendel wird auch gerne genutzt für jede Art von Initiation: Kommunionskleidchen duften z.B. oft nach Lavendel. Aber auch in der Sterbebegleitung ist die Pflanze sehr beliebt, wenn Menschen (noch) nicht loslassen und gehen können, wenn Altes sie noch festhält.
Wenn das Wesen der Pflanze verstanden ist, kann man seine eigene Intuition und Inspiration spielen lassen, um weitere Anwendungsfelder zu finden. Übergänge in eine unbelastete, reinere Sphäre zu begleiten, das ist das, was die Pflanze leistet. Wenn Schüler am Montag, aufgeruschelt vom (vielleicht viel zu viel in den digitalen Medien versunkenen) Wochenende wieder in den Unterricht kommen, wäre es einen Versuch wert, das Klassenzimmer ein wenig mit Lavendel zu beduften. Nur mal als Beispiel. Andere nutzen Lavendel mitunter, um einen sinnlichen 'Raum' für schönen Kuschel-Sex zu öffnen. Die Gedanken hängen dann nicht mehr am erlebten Alltag und seinen Aufgeregtheiten fest, sondern die Seele kann sich viel leichter ausbreiten und in eine neue Sphäre fließen, ozanisieren (wer hingegen gerade eher 'animalischen' Sex bevorzugt, und sei es als Abwechslung, ist mit Lavendel weniger gut beraten. Da bräuchte es erdigere Düfte. Also genau hinschauen, welche Qualität tatsächlich gewünscht ist).
Wenn Du eigene fantasievolle Anwendungen für Dich gefunden und erprobt hast, dann schreibe dies doch bitte unten im Kommentar.